Uri, 13.11.2018 - Statt die Initiative «Zur Regulierung von Grossraubtieren» nach Bern zu schicken, sollen zumindest die gültigen Teile davon in die Kantonsverfassung aufgenommen werden. Der Landrat empfiehlt dem Volk, die Initiative anzunehmen.
Carmen Epp14.11.2018
Wenn es um Wolf, Bär, Luchs und Co. geht, wird es schnell emotional. So auch gestern im Landrat. Nachdem jeder zehnte Urner Stimmbürger das Begehren unterzeichnet hatte, sorgte die Volksinitiative «Zur Regulierung von Grossraubtieren im Kanton Uri» im Landratssaal für einen regelrechten Schlagabtausch.
Die vom Urner Bauernverband lancierte Initiative verlangt, Vorschriften zum Schutz von Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestands sowie in die Kantonsverfassung aufzunehmen und die Förderung, die Einfuhr und Freilassung von Grossraubtieren zu verbieten.
Teilweise ungültig, aber gegen Standesinitiative
Die letzten beiden Forderungen – das Einführungs- und Freilassungsverbot – sind jedoch nicht mit dem Bundesrecht vereinbar. Zu diesem Schluss kam sowohl der Regierungsrat als auch die landrätliche Sicherheitskommission. Gestern nun folgte auch der Landrat dieser Ansicht und erklärte die Initiative mit 34 zu 24 Stimmen als teilweise ungültig. Die gültigen Teile hingegen, darüber war sich der Landrat ausnahmslos einig, sollen dem Volk unterbreitet werden.
Mit 1 zu 56 Stimmen (1 Enthaltung) chancenlos war hingegen der Antrag der Regierung, der Volksinitiative als direkten Gegenvorschlag eine Standesinitiative gegenüber zu stellen.
SP/Grüne: «Initiative streut Sand in die Augen»
Blieb also noch die Frage, ob man dem Stimmvolk empfehlen soll, die Initiative anzunehmen oder abzulehnen. Die Haltung der Urner Regierung war klar: Es bringe nichts, eine eigene Grossraubtierpolitik in die Kantonsverfassung aufzunehmen, die Initiative soll deshalb dem Volk zur Ablehnung empfohlen werden.
Derselben Meinung war auch die SP/Grüne-Fraktion. «Die Initiative schiesst ins Leere», hielt etwa Mihriye Habermacher (SP, Erstfeld) fest. Die Kantonsverfassung sei nicht geeignet, um Zeichen zu setzen und sollte nicht mit «unnötigen und inhaltsleeren Artikeln» gefüllt werden. Und Raphael Walker (Grüne, Altdorf) zeigte sich überzeugt, dass das Initiativkomitee rein politische Absichten verfolgt. «Den Unterzeichnenden und dem Urner Volk wird Sand in die Augen gestreut, falls diese erwarten, dass sich ihre Situation verbessert.»
«Ängste der Bevölkerung frühzeitig ernst nehmen»
Mit dieser Haltung stand die SP/Grüne-Fraktion weitgehend alleine da. Bereits beim Eintreten auf das Geschäft signalisierten die anderen Fraktionen, dem Antrag der Sicherheitskommission zu folgen und die Initiative zur Annahme zu empfehlen. «Uri tut gut daran, nicht zuzuwarten und frühzeitig die Bedenken und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen», hielt Kommissionspräsident Ludwig Loretz (FDP, Andermatt) fest.
Alois Zurfluh (CVP, Attinghausen) zeigte sich erstaunt, wie manche sich für die «zum Teil illegal ausgewilderten Grossraubtiere» einsetzen. «Umso mehr, weil wir jahrzehntelang sehr gut ohne die Tiere haben leben können und 99 Prozent der Bevölkerung diese sowieso nie zu Gesicht bekommt.»
Kantone erhalten bald mehr Kompetenzen
Christian Arnold (SVP, Seedorf) konnte es kaum erwarten, «endlich Dampf ablassen» zu können. Seit Jahren lese man über die Sommermonate bis in den Herbst hinein «praktisch wöchentlich» von Wolfsübergriffen auf Nutztiere in Europa, «Tendenz zunehmend». Der Regierungsrat müsse «endlich einstehen für die Landwirtschaft, den Tourismus und die ländlichen Gebiete».
Mit der aktuellen Revision der eidgenössischen Jagdgesetzgebung werde den Kantonen wahrscheinlich mehr Kompetenzen eingeräumt. Eine Verankerung der ganzen Grossraubtierproblematik in der Verfassung, so Arnold, sei also dringend nötig. Der Appell der Befürworter, mit der Volksinitiative «ein Zeichen zu setzen», traf schliesslich auf offene Ohren: Der Landrat empfiehlt die Initiative mit 49 zu 8 Stimmen (1 Enthaltung) dem Volk zur Annahme. Ein Entscheid, der beim WWF Uri nicht gut ankommt.
Das sagt der WWF Uri zum Entscheid des Landrats
Der WWF Uri reagierte postwendend auf den Entscheid des Landrats. Er fordert die Ablehnung der Initiative. Die sei «rückwärtsgewandt und behindert die Weiterentwicklung von guten Lösungen», schreibt der WWF Uri in einer Medienmitteilung. Seit 1995, als zum ersten Mal regelmässig Wölfe in der Schweiz nachgewiesen wurden, seien die Konflikte «überschaubar, wo der Herdenschutz richtig angewendet wird», wird Fabian Haas, Verantwortlicher für das Thema beim WWF Zentralschweiz zitiert. Die jährlichen Risse blieben trotz immer mehr Wölfen im schwankenden Jahresdurchschnitt relativ konstant. Mit der Initiative «Zur Regulierung von Grossraubtieren im Kanton Uri» werde versucht, das Rad zurückzudrehen, so der WWF Uri weiter. «Und Politik und Volk müssen sich mit einer Initiative beschäftigen, die der Stimmungsmache dient und gemäss Regierungsrat nichts bringt.»
Symbolbild: Ein Wolf im Tierpark Goldau. (Bild: Romano Cuonz, Tierpark Goldau, 2017)
Es seien gemäss Zahlen der Kora nur etwa 5 Prozent der Schafe, die wegen Wölfen auf den Alpen sterben, die restlichen 95 Prozent würden durch Krankheit, Murgänge, Abstürzen oder aufgrund des Wetters ums Leben kommen. Zudem hätten sich gemäss der Agridea über 90 Prozent aller Risse im Jahr 2017 gemäss in ungeschützten Herden ereignet.
Jetzt liege es an der Urner Bevölkerung, den Entscheid des Landrates zu kippen und die Symbolpolitik nicht zu unterstützen. «Denn eine individuelle Lösung im Kanton Uri ist absurd, die weitwandernden Wölfe halten sich nicht an Landesgrenzen und schon gar nicht an Kantonsgrenzen», wird Christa Riedi, Vorstandsmitglied des WWF Uri in der Mitteilung zitiert. «Die Forderungen der Initiative sind weitgehend wirkungslos oder werden bereits erfüllt und haben so kaum Konsequenzen für die gängige Praxis.» (pd/eca)
Quelle: Luzerner Zeitung, 14.11.2018